Samstag, 4. Oktober 2025

Von einem Tag auf den anderen ist alles anders. Aus Sonnenschein und blauer See ist der erste Herbststurm geworden. Ein kräftiger Südwind peitscht die Bäume und schiebt die Ostsee weit in ihr Bett zurück. Der Strand ist breit, so breit, dass man die Buhnen fast umlaufen kann. Und es regnet seit Stunden.

Heute morgen, als der Regen die Insel noch nicht erreicht hatte, sah ich den Sand über den Strand fliegen. Von der Düne bis hinunter ans Ufer. Ein kleiner schwarzer Hund jagte durch die Böen, verschwand für einen Moment wie im Nebel und tauchte plötzlich wieder auf. Auf seiner Zunge mussten sich Berge von Sandkörner verfangen haben. Doch das störte ihn nicht. Und während ich seinem Spiel weiter zusah, rauschten prächtige weiße Kämme über die See an Land.

Im Ort war es noch ruhig. So ein Wetter lässt die Feiertagsgäste ausschlafen. Ich lief die Seestraße entlang, unter den alten Kastanien hindurch, die mir an Tagen wie heute und in anbetracht ihrer üppigen Früchte durchaus Respekt einflößten. So ein Zusammenstoß mit einer stachligen und gut gefüllten Kastanienhülle könnte schmerzhaft sein, dachte ich mir. Doch ich hatte Glück. Ich war übrigens auf dem Weg zum Rewe, als der Himmel meinte, diesem Tag würde neben Wind auch Regen gut stehen. Also Schleusen auf und los! Heute mal waagerecht. Etwa im gleichen Moment war ich auf Höhe des Buchladens, der sein warmes, gelbes Licht so verführerisch in diesen ungemütlichen Herbstmorgen hinausschickte, dass ich mein Herz direkt doch absetzte und ihm versprach, es nach dem Rewe zum gemeinsamen Büchergucken wieder einzusammeln. Gesagt, getan.

Kennt Ihr diesen Moment, wo Ihr einen dieser kleinen, wundervollen Buchläden betretet, die irgendwie und gottseidank fernab der gut kalkulierten und werbetechnisch durchgeplanten Kettenkaufhäuser existieren? Dieser Moment, in dem man eintaucht in die Wärme und den Duft von Bücherräumen, dabei ganz unmerklich die Realität verlässt und die Zeit zu einer Illusion wird, die hier keine Rolle spielt? Und vor uns liegen unzählige Welten, versteckt hinter bunten Covern, die Wort für Wort in uns entstehen können. Denn wir lesen die selben Bücher und doch sehen die Welten in jedem von uns anders aus. Das ist die Magie der Geschichten…

Doch ich schweife ab! Vielmehr möchte ich bemerken, dass der kleine Buchladen in Bansin zu dieser Zeit gut besucht war. Und dass das Gemurmel von großen und kleinen Buchliebhabern der Behaglichkeit keinen Abbruch tat. Es war wunderbar. Leise Musik spielte, der Regen schlug an die Fenster und durch die geöffnete Tür hörte ich den Sturm in den Kastanien toben. Das ganze Jahr über ist Bücherzeit, doch der Herbst hat seine ganz eigene Magie. Wenn das Leben sich zurückzieht in warme Stuben und Seiten neben dampfenden Teetassen umgeblättert werden. In meinem Einkaufsbeutel landeten heute übrigens Nina Georges „Die geheime Sehnsucht der Bücher“ und „Weihnachtsgeschichten am Kamin“, sammelt von Barbara Mürmann. Ist ja nicht mehr lange.

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